Globale Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit

Woher nehmen sich europäische Staaten das Recht, darüber zu befinden, wen und wie viele sie über ihre Grenzen lassen und wen sie ausschliessen? Ist ein solches Recht moralisch begründbar? Andreas Cassee geht in seinem Buch dieser Frage nach. Er stellt Fragen, die mich selbst immer wieder beschäftigen.

Vor kurzem habe ich einen SVP Gemeinderat, nachdem dieser wiederholt auf Asylsuchende und alles Fremde im Land geschimpft hat, gefragt, was denn der Unterschied sei, wieso er von Schaffhausen, nach Zürich kommen dürfe, hier leben und arbeiten dürfe und wieso es jemand von ännet der Grenze nicht darf. Eine Antwort bekam ich nicht. Er ist nicht der einzige, der offen hörbar kein Zürcher ist. Wieso ist es kein Problem, sich innerhalb der Landesgrenze niederzulassen wo man will, aber sobald jemand von aussen kommt, wird’s kompliziert? Wieso muss der St. Galler nicht nachweisen, dass er verfolgt wird oder seine Arbeitskraft in Zürich dringend gebraucht wird? Wieso dürfen „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus den Randregionen der Schweiz, z.B. dem Wallis in Zürich arbeiten, bei einem Nigerianer aber, zählt dieser Migrationsgrund nicht? Das Bundesamt für Migration finanziert sogar eigens dafür eine TV-Serie, um „diese Leute“ davon abzuhalten in die Schweiz zu kommen – Schreck-lass-nach. Wieso gibt es ein anerkanntes Menschenrecht auf innerstaatliche Bewegungsfreiheit nicht aber ein globales?

Menschen müssen beweisen, dass sie in ihrem Herkunftsland nicht mehr sicher leben können. Sobald es wieder sicherer wird, müssen sie zurück. Was als sicher resp. unsicher gilt, was ein berechtigter Migrationsgrund ist, was nicht, wer die „wahren“ resp. die „falschen“ Flüchtlinge sind, bestimmen notabene die reichen Länder selbst. Demokratisch, wird hier oft erwähnt. Andreas Cassee hat dem ein berechtigter Einwand entgegenzusetzten. Der Zwang, welche diese Einwanderungsgesetze bewirken, trifft Menschen, die gerade nicht am demokratischen Prozess teilhaben konnten. Sogar die NZZ widersprach dem nicht, dass es keine moralische Rechtfertigung gibt, Menschen daran zu hindern, sich niederzulassen, wo sie wollen. Nur wollen die reichen Staaten nicht. Sie wollen ihre Privilegien nicht teilen. Nicht mit jenen, die sie ja nicht erschaffen haben. Aber was hab ich, als ich zur Welt kam, schon dafür getan, dass es der Schweiz wirtschaftlich gut geht? Dass ich in einem sicheren Land aufwachsen konnte, wo mir gute Bildung gratis zusteht? Was kann man dafür, wenn man nicht in einem solch privilegierten Land geboren wurde, sich aber nach denselben Vorzügen sehnt? Die Einwanderungsbeschränkungen, dienen letztlich nur dem Schutz unverdienter Vorteile derer, die mit der „richtigen“ Staatsbürgerschaft geboren wurden.

Natürlich ist eine globale Niederlassungsfreiheit ein politisches Fernziel, aber es ist wichtig, es im Auge zu haben. Realpolitisch täten wir schon gut daran, nicht unnötig die Bewegungsfreiheit von Menschen einzuschränken, die sonst schon untendurch müssen.