Wer zu lange still steht, setzt Moos an

Im neuen Jahr kommt die SVP mit einer neuen Provokation daher: der deutsche Filz an der Uni und in den Spitälern verdränge die SchweizerInnen, bebildert mit arroganten Blicken und verzerrten Statistiken. Vor Empörung und aus Solidarität schalten Professoren Inserate, es gibt Diskussionen im Radio und am Fernsehen, dann folgt die SVP Fraktionserklärung im Kantonsrat: Man sei also nicht rassistisch, denn „deutsch“ sei gar keine Rasse!

Als ich vor ein paar Wochen wegen einem Statement für TeleTOP bei mir zuhause als Hintergrund das Büchergestell wählte, fragte ich, ob es okay sei, wenn sie mich vor meinen Bert Brecht Büchern ablichten. Der Kameramann schmunzelte und sagte, bei der SVP sei es schwieriger, da seien Bücher und Pamphlete der NS-Zeit in den Gestellen. Jetzt haben wir die rechtspopulistische Sprache bereits wieder auf den Plakaten.

Eine universitäre Karriere ist kaum denkbar ohne Auslandaufenthalt. So gehen jährlich tausende von Studierenden, AssistentInnen, AssistenzprofessorInnen und Post-Docs nach Europa oder in die USA, um die Luft in einem anderen akademischen Milieu zu schnuppern. Die Hochschulen der Schweiz haben immer hervorragende Professoren (und ein paar Professorinnen) angestellt, um den hohen Standard der Akademie zu erhalten. Einige kommen aus englisch- und deutschsprachigen Ländern. Die Sprache der Hochschule ist schon längst Englisch. Vielleicht noch in der Jurisprudenz und der Altphilologie finden wir rein „helvetische“ AkademikerInnen. Die Welt hat sich geändert, und will die Schweiz als Lehr- und Forschungsstandort an der Spitze stehen, müssen wir die Besten berufen, egal welchen Herkunftslandes.

Es stellt sich schon die Frage, wieso zu wenige Schweizer und Schweizerinnen eine akademische Karriere anstreben. Sind die Löhne zu tief? Bringt es mich an die Armutsgrenze, wenn ich mich jahrelang als AssistentIn (womöglich mit Familie) durchboxen muss? Sind die Bedingungen für eine Habil zu aufwändig, bis der Titel erteilt wird? (Ich weiss zur Zeit von einer Habil, die seit mehr als einem Jahr auf die Abnahme durch die Fakultät wartet). Der Schweizer Arbeitsmarkt, mit der vergleichsweise tiefen Arbeitslosigkeit, nimmt die JungakademikerInnen gerne in der Privatwirtschaft auf. Vielleicht müssen wir uns überlegen, wie wir Junge besser fördern, die Chancen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen und den Ruf der akademischen Laufbahn stärken können.

Dies, liebe SVP, wäre eine echte Lösung, statt einfach die Deutschen anzuprangern. Den „deutschen Filz“ gibt es nicht, nur den schweizerischen, moosüberzogenen Filzpantoffel. Wer zu lange still steht, setzt Moos an!