Smartmap sei Dank
Ich liebe die Smartmap. Denn sie erlaubt es, die Kandidierenden vor der Wahl erstaunlich präzise im politischen Raum zu verorten. Der Vergleich zwischen dem eigenen Punkt und demjenigen anderer Kandidierender kann dabei durchaus überraschen. Zum Beispiel: Da bin ich doch, obschon wohl platziert im Feld der SP-Kandidierenden, liberaler nicht nur als die beiden Stadtratskandidierenden der SVP, sondern auch als der Kandidat der FDP für das Stadtpräsidium.
Liberales Zürich?
Nicht, dass mir dies missfiele, im Gegenteil: Ich zeige die 100% „gesellschaftliche Liberalisierung“ in meinem Smartspider noch so gern. Was mich aber nachdenklich stimmt ist die Tatsache, dass sich die fünf Stadtratskandidierenden der bürgerlichen Parteien ausgerechnet dazu versteigen, uns von den Plakatwänden ein „liberales Zürich“ zu versprechen, obwohl uns dabei auch das Personal jener Partei anstrahlt, die eines bestimmt nicht ist: nämlich liberal. (Was nicht zuletzt deren Stadtratskandidat beweist, der für Zürich allen Ernstes eine „konservative Revolution“ fordert.) Viel zu sehr missachtet die SVP zentrale liberale Prinzipien wie das der Gleichheit. Und setzt sich für Freiheit ausschliesslich dort ein, wo es um die Freiheit der Wirtschaft und der Besitzenden geht, nicht aber um die Freiheit derjenigen, die sich ihre Freiheit erst noch erarbeiten müssen oder die anders sind als der Mainstream sogenannt traditioneller Haushalte. Vom liberalen Prinzip der Bewegungsfreiheit ganz zu schweigen – der 9. Februar lässt grüssen.
So what?
Eigentlich könnte uns dies als SozialdemokratInnen ja kalt lassen. Und doch gebe ich zu: Die Grundsätze und die Errungenschaften des Liberalismus, etwa in Gestalt der liberalen Demokratie, sind mir zu wichtig, als dass es mir gleichgültig wäre, wie in diesem Wahlkampf nun der Begriff des Liberalen ad absurdum geführt wird. Zu wichtig ist es, in gesellschaftlichen Fragen die Verbindung von sozial und liberal hochzuhalten. Zu bedeutsam ist es schliesslich, nicht zu vergessen, dass es ihr Eintreten für Freiheit ist, die gerade SP und FDP weit mehr als man heute oft meinen könnte, verbindet. Denn wie es der Schriftsteller und ehemalige Präsident der SP Olten, Alex Capus, treffend formuliert hat: Stellt der Freisinn die Frage „Freiheit wovon?“ ins Zentrum, geht es der Sozialdemokratie um die „Freiheit wozu?“. Die beiden Freiheitsbegriffe bedingen sich gegenseitig und können im Zusammenspiel, so hat auch das Beispiel Zürichs in der Vergangenheit gezeigt, durchaus zu tragfähigen und erst noch pionierhaften Lösungen führen.
Bewährte Kräfte
Aus diesen Gründen betrübt es mich, dass sich die Top5 als offenbar einziger gemeinsamer Nenner ausgerechnet für ein „liberales Zürich“ empfehlen. Dass FDP und CVP sich dazu hergeben, gemeinsam mit jener Partei ein liberales Zürich zu versprechen, die am konsequentesten unliberale Positionen vertritt und gerade heute auch darum kämpft, unserem Land mehr Bürokratie und mehr Repression aufzuerlegen, ist enttäuschend. Und unredlich. Denn wie die Smartmap zeigt: Auch für ein liberales Zürich ist man am 9. Februar bei den bewährten Kräften besser aufgehoben!