Fraktionserklärung: Zum Urteil des Kantonalen Verwaltungsgerichts Zürich zum städtischen Mindestlohn: Grosse Sorge um Tieflohnbetroffene und die Gemeindeautonomie
Blicken wir zurück. Angestossen von Gewerkschaften und Hilfswerken hat eine breite Mehrheit von SP, Grünen, Mitte/EVP und AL im Gemeinderat einen Mindestlohn von 23.90 Franken pro Stunde beschlossen, um insbesondere Angestellten in der Gebäudereinigung, der Gastronomie und dem Detailhandel zu einem fairen Mindestlohn zu verhelfen. Der Gegenvorschlag wurde bei der Volksabstimmung im Juni 2023 haushoch angenommen. Fast 70 Prozent der Zürcher*innen wollen den Mindestlohn.
Zuvor hatten zwei Rechtsgutachten renommierter Professoren der Universitäten Zürich und der HSG festgestellt, dass ein städtischer Mindestlohn im Kanton Zürich rechtskonform ist. Mit dem vorliegenden Urteil ist denn auch eine Minderheit des kantonalen Verwaltungsgerichts nicht einverstanden. Sie hat darum eine abweichende Meinung publiziert. Das kommt in der Schweizer Rechtsprechung äusserst selten vor.
Vor diesem Hintergrund möchten wir drei Punkte festhalten:
– Erstens fordern wir, dass die Sache an das Bundesgericht weitergezogen wird und hoffen sehr, dass hier alle Parteien im Rat mitziehen. Der Weiterzug ist nicht nur juristisch klar geboten; er ist unerlässlich im Sinne der Demokratie und der Gemeindeautonomie, wo doch ein kantonales Gericht nicht einmal einstimmig die städtische Bevölkerung übersteuert.
– Zweitens ist die Argumentation des kantonalen Verwaltungsgerichts befremdlich und besorgniserregend zugleich. Die Richtermehrheit umschifft die bundesgerichtliche Rechtsprechung und greift die Gemeindeautonomie aller Gemeinden in unserem Kanton frontal an. Das Urteil läuft darauf hinaus, dass Massnahmen durch Züricher Gemeinden, um präventiv zu verhindern, dass Menschen überhaupt in die Sozialhilfe abrutschen, nur sehr beschränkt zulässig sind. Dies wäre sozialpolitischer Unsinn. Wie denn auch die Minderheit des Gerichts entgegnet, bietet das kantonale Recht für eine solche Argumentation keine Grundlage. Das Mehrheitsvotum sei mit der Gemeindeautonomie nicht vereinbar und widerspreche Grundprinzipien der richterlichen Rechtsauslegung. Denn unsere Kantonsverfassung fordert die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, erst recht bei Volksentscheiden.
Liebe Anwesende, das Urteil reiht sich ein in eine gefährliche Entwicklung. Nicht nur im Bereich Mindestlohn, auch auf anderen Gebieten – etwa beim Verkehr– versuchen Bürgerliche, die Rechte und die Souveränität der Gemeinden zu drosseln, insbesondere die Autonomie der Städte. Gegen solche Tendenzen müssten wir uns im Rat hier alle engagieren. Es geht um den föderalen Aufbau unseres Bundesstaats.
Weiter ist interessant: Der Gewerbeverband und die Mindestlohngegner behaupteten im Abstimmungskampf – und sie behaupten es auch jetzt nach dem Urteil –, sie seien nicht gegen Mindestlöhne, sondern gegen eine Regelung auf Gemeindeebene. Doch gleichzeitig setzen sie sich auf Bundesebene dafür ein, dass den Kantonen verboten wird, einen Mindestlohn einzuführen. Auf diese Weise führen sie die eigene Argumentation ad absurdum.
– Schliesslich der dritte, der wichtigste Punkt: 17 000 Menschen in unserer Stadt arbeiten zu einem Lohn, der für das Leben nicht reicht. Das darf nicht sein!
Wir sprechen hier von Personen die in der Reinigung, dem Detailhandel und der Gastronomie chrampfen, zwei Drittel Frauen. Letztlich verlangt das Verwaltungsgericht de facto nichts anderes, als dass der Staat mit Sozialhilfe einspringt, wenn deren Dumpinglöhne für ihr Leben nicht reicht. Eine solche staatliche Subvention von Lohndumping ist absurd und der Arbeit und Würde der Menschen gegenüber respektlos.
Die SP wird gemeinsam mit ihren Verbündeten unbeirrt weiterkämpfen für einen fairen Mindestlohn: auf allen Ebenen, vor jeder Instanz. Es ist inakzeptabel, dass Menschen arbeiten und dennoch nicht genug zum Leben verdienen.
Auskünfte:
Fanny de Weck, SP-Gemeinderätin, Tel. 078 743 65 80
Florian Utz, SP-Gemeinderat und Co-Fraktionspräsident, Tel. 076 448 22 88